Sonntag, 18. September 2016

Von Kindern und Hunden...

Hallo Ihr Lieben,


gestern war ich bei einer spannenden Vortragsreihe "Für ein sicheres Gemeinsam von Kind und Hund"zum Thema Kind-Hund-Interaktion bzw. Biss-Prävention auf der vetmed. Es war ein Folge-Halbtagsseminar mit verschiedenen DozentInnen nach der Auftaktveranstaltung zu diesem Themenkomplex im November letzten Jahres.

Den Anfang machte Bina Lunzer (erfolgreiche Hundetrainierin in Österreich) mit der Vorstellung ihres Kind-Hund-Vorbereitungsprogramm "Dogs & Storks und Dog & Baby Connection" - zum Einen ein Präventionsprogramm von vor der Geburt während der Schwangerschaft und weiterführend bis zum Alter des Kindes von 3 Jahren. Dies ist ein Programm, das vor ca. 15 Jahren in den USA gegründet wurde und sich fortlaufend weiterentwickelt und wächst. Besonders spannend waren für mich die hilfreichen Tipps, wie sich angehende Eltern vorbeiten können bzw. wie mithilfe von Vorträgen und Schulungen besonders auf den Moment der Baby-Hund-Zusammenführung vorbereitet und hingearbeitet wird, wenn der kleine, frischgeborene Menschling dann nachhause kommt. Zurecht ist das für den Hund eine besonders komische Situation, wenn Frauchen Hals über Kopf einen Koffer packt und schnappt und Herrchen und Frauchen aufgeregt das Haus verlassen und zumindest Frauchen erstmal nicht wiederkommt. Da ist es schon wichtig, sich rechtzeitig zu informieren, wie man z.B. die erste Begegnung von Hund und Baby bestmöglichst gestalten kann oder auch den Hund langsam und freundlich an das neue Familienmitglied gewöhnt - mit dem dann vor allem auch in Babysprache geredet wird, was zuvor eher dem Hund galt. Das Schöne ist, dass sich Schwangere (plus eine Begleitperson) für dieses Programm kostenlos anmelden und daran teilnehmen können. Natürlich können auch andere Familienmitglieder an dem Programm teilnehmen, aber kostenpflichtig (34€ pro Vortrag). Unter http://www.familiemithund.info/Programme.html findet Ihr alle Informationen und z.B. Termine und Vortragsorte zu den kostenlosen Vorträgen für Schwangere. Interessant war auch die Aussage bzw. der Wandel der heutigen Zeit, dass es früher eher der Fall war, dass erst die Familienplanung abgeschlossen wurde und dann ein Hund ins Haus kam, wohingegen heute immer mehr junge Leute sich erst einen Hund quasi als "Testlauf" holen und dann das Baby geplant wird. Von daher ist es wichtig, sich rechtzeitig zu informieren, wie man Kind und Hund möglichst stressfrei aneinander gewöhnt für ein harmonisches Zusammenleben und mehr Sicherheit für Kind und Hund!

Besonders spannend für mich und ggf. andere HundetrainerInnen war die Möglichkeit sich zu bewerben und bei Eignung selbst Vorträge für Dogs&Storks zum Thema Inklusion von Hund und Familie halten zu können bzw. sein Wissen in diese Richtung zu vertiefen. Bei Interesse: http://www.familiemithund.info/Lizenzen.html 

Anschließend kam Prof. Tiny De Keuster von der Universität 
Ghent in Belgien zu Wort und stellte das Präventionsorgramm "Der Blaue Hund" vor. Sie beschrieb dazu erstmal die Problematik in Bezug auf Kinder und Hundebisse und die daraus entstehende Dringlichkeit und Notwendigkeit für Aufklärungs- bzw. Bisspräventionsprogramme für Kinder und Eltern. Auch wenn die meisten Hunde freundliche Familienhunde (wenn sie dies ausreichend positiv gelernt haben) sind, ist und bleibt der Hund ein Beutegreifer, der sich in bedrohenden Situationen insbesondere mit seinen Zähnen zur Wehr setzen kann. Oft werden Situationen, in denen Hund und Kind miteinander agieren, unterschätzt und für "süß" befunden, wobei viel zu wenig darauf geachtet wird, wie sich der Hund dabei fühlt, wenn beispielsweise Kleinkinder in sein Bettchen nachkrabbeln oder sich auf ihn drauflegen oder umrarmen/ küssen oder ihm etwas wegnehmen wollen etc. Meist kommt es dann aufgrund von Missverständnissen zu Beißunfällen und meist hat der Hund ungesehen/ unbeachtet schon viele Signale des Umbehagens (Weggehen/ -drehen, Ohren anlegen, sog. Walauge (das Weiße wird sichtbar), über Lippen/ Nase schlecken etc. bis hin zum Knurren) vorher gezeigt und weiß sich dann nicht mehr anders aus der Situation zu helfen als zuzubeißen. Studien zeigen, dass Kinder doppelt so häufig wie Erwachsene gebissen werden. Zudem hat sich gezeigt, dass die meisten Beißvorfälle mit bekannten Hunden und/ oder in der eigenen Familie passieren! Oft ist der Biss dabei eine Reaktioon des Hundes auf eine Aktion des Kindes, z.B. Annäherung. Es hat sich gezeigt dass Kleinkinder vor allem in Kopf, Gesicht und Nacken und Kinder ab 9 Jahren eher in die Hände und Füße gebissen werden. Daher ist es wichtig, nicht erst zu warten bis der Hund reagiert, weil es ihm zu viel wird, sondern Eltern und Kinder, bestenfalls schon vorher, aufzuklären, wie man sich einem Hund angemessen nähert und sich ihm gegenüber verhält und woran man einen z.B. gestressten oder überforderten Hund erkennt - bevor etwas passiert! Dafür wurde ein animiertes, interaktives Computerprogramm/ -spiel namens "Der Blaue Hund" geschaffen, in dem Kinder von 3-6 Jahren die Möglichkeit haben, verschiedene, meist kritische Situationen, mit einem animierten blauen Hund durchzuspielen und zu lernen, wie man sich in diesen Situationen richtig verhält. In der Broschüre wird ausführlich und verständlich erklärt, welche Situationen zwischen Hund und Kind am häufigsten gefährlich werden können und es wird auch versucht diese aus "Hundesicht" darzustellen. Eine wissenschaftliche Studie mit den im Spiel verwendeten Hundesequenzen/ -videos hat gezeigt, dass Kinder umso älter sie sind desto besser können sie das Hundeverhalten verstehen bzw. Warnsignale erkennen. Die Dreijährigen hatten die höchste Fehlerquote aber es konnte auch gezeigt werden, dass sie nach einem Aufklärungstraining deutlich bessere Ergenisse zeigten und dieses Wissen auch nach 6 und 12 Monaten immernoch abgerufen werden konnte! Der Lernerfolg der DVD konnte damit bestätigt werden! Ich habe mir gestern auch eine DVD gekauft und ich denke ein Preis von 10€ ist für jedes Elternpaar gut aufzubringen, vor allem, wenn man dadurch mit Spaß lernen kann, seinen Hund besser zu verstehen/ "lesen" und mehr Sicherheit im Zusammenleben zu schaffen! Infos: http://www.dvg.net/index.php?id=1287


Als nächstes stellten Dr. Lisa Maria Glenk und Karoline Turner (und Eva Burger) ihr Hundesicherheitstraining vor. Bei diesem Präventionsprogramm besuchen sie Schulklassen in 5 Einheiten á 50min mit 1 und bei der letzten Einheit mit 2 Hunden und machen verschiedene Übungen mit ihnen und bringen den Kindern Themen wie Hundeanatomie und -verhalten, Erste Hilfe/ Gesundheit, Spiel, Kommunikation und Körpersprache des Hundes aber auch wichtige Themen wie Hundehaltung und Tierschutz etc. näher. Die Kinder lernen aktiv den richtigen Umgang mit dem/n Hund(en) und sie korrekt zu lesen und Gefahren rechtzeitig zu erkennen! Mehr Infos unter: http://www.hundesicherheitstraining.at/index.php/training


Last but not least stellte Dr. Kerstin Meints, Leiterin des Babylabs in Lincoln, England, Studien zum Thema, ob Kinder in der Lage sind, Signale von Hunden zu erkennen, vor. Sie beleuchtete verschiedene Tatsachen, wie, dass die meisten Unfälle auf der Straße stattfinden, die meisten Bisse durch Aktionen der Kinder verursacht werden, Bisse ins Gesicht der Kinder oft bei liegenden Hunden passieren und eine große Verantwortung in der Aufsichtspflicht der Eltern liegt! Ein wichtiger Fakt ist, dass die Inhibition bei kleinen Kindern noch nicht gut funktioniert, da das Gehirn noch nicht ausreichend entwickelt ist. Das heißt, dass z.B. auch wenn Kinder wissen, dass sie den Hund nicht streicheln oder umarmen/ küssen dürfen, sich schwer zurückhalten können und dies trotzdem zu tun. Daher rühren auch die allseits bekannten Wutanfälle, da sich Kleinkinder einfach noch nicht selbst kontrollieren bzw. regulieren können! Heutzutage findet man leider viele Youtube-Videos mit Hunden, die vermeintlich lustig sein sollen, aber in der Realität viele gefährliche Situationen zeigen, bei denen sich Hunde sichtlich unwohl fühlen und z.T. zum Ertragen der Situation gezwungen werden und ihre Körpersprache/ -signale vollends missachtet und ignoriert werden. Bei den meisten Situationen kann man sicher nur froh sein und vielfach von Glück reden, dass nichts passiert ist, weil die Hunde so tolerant sind oder sich anpassen oder im für sie schlechteren Fall in die sog. "erlernte Hilflosigkeit" fallen udn gelernt haben, dass ihre Signale nichts bringen! 

In Bezug auf (Klein-)Kinder ist die Problematik auch oft, dass sie, im Gegensatz zu Erwachsenen, meist ganz nah mit dem Gesicht an Dinge herangehen, die sie erkunden bzw. untersuchen - so dann auch beim Hund! Dies kann ein Grund für die Vielzahl an Hundebissen ins Gesicht sein. Dazu kommt, dass Hundefutter auch oft die Form von Drops oder Kinder-Frühstücksflocken etc. hat und sich Kinder zurecht fragen, ob das nicht genauso lecker wie ihr eigenes Frühstück ist. Dies kann dann zu Missverständnissen beim Hund führen, der sein Futter als Ressource wahrnimmt und in der Regel ungerne teilen möchte! Die dargestellten Studien zeigten anhand von Kinder-Aussagen, dass es sehr viele dieser Missverständnisse zwischen Kind und Hund gibt. Das größte Missverständnis der Hundesprache für Kinder ist wohl das Zähnefletschen. Kinder glauben, dass der Hund die Zähne zeigt und ähnlich wie bei unserem Grinsen glücklich ist und sich freut. Die meisten, vor allem nicht aufgeklärten, Kinder würden in dieser Situation zu dem Hund hingehen. Dies kann natürlich fatale Folgen haben! Die Studie konnte aufzeigen, dass 35% der 4-Jährigen, 25% der 5-Jährigen und 15% der 6-Jährigen die zähnefletschenden Hunde für glücklich hielten! Auch Knurren hielten die meisten Kinder zwar für ein komisches Geräusch des Hundes aber in Verbindung mit wirklich glücklich sein - vielleicht ähnlich wie ein Wohlfühlbrummen. Des Weiteren wollen Kinder oft dem schlafenden Hund noch einen Gute-Nacht-Kuss geben oder ihn umarmen oder sie verstehen ein Anstarren/ Fixieren des Hundes als Ich-mag-Dich-Signal und möchten sich ebenfalls annähern. 
Spannend ist, dass auch anhand der Befragungen der Eltern gezeigt werden konnte, dass auch Erwachsene viele Kind-Hund-Situationen bzw. die Körpersprache des Hundes falsch einschätzen oder schlichtweg unterschätzen! Anhand einer eye-tracking Studie konnte dargestellt werden, dass insbesondere die mittleren und geringen Stressignale der Hunde schwer erkannt aber auch schwieriger vermittelt werden konnten, als die starken bzw. scheinbar eindeutigen Stressignale des Hundes (siehe untere Grafik)! Hier einige Infos zum Babylab und den Studien an der Universität Lincoln: http://www.lincoln.ac.uk/home/psychology/research/lincolnbabylab/

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass Bisspräventionsprogramme dringend notwendig sind und es wichtig ist, sowohl Eltern als auch Kinder rechtzeitig über die Körpersprache und ggf. die mögliche Gefährlichkeit eines Hundes etc. aufzuklären bzw. sie spielerisch und aktiv mit Training an das Thema heranzuführen!


Ich hoffe, Ihr hattet Spaß am Lesen und vielleicht hat der Ein oder Andere ja Interesse an dem Thema und kommt zur nächsten Vortragsreihe auf der Vetmed oder möchte sich sogar anderweitig informieren oder engagieren!

Liebe Grüße,
Eure Sabrina



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